Die Momente deines Lebens kullern wie Murmeln vorwurfsvoll friedlich an dir vorbei.
Manche sind farbenfroh und andere nur traurig.
Sie kullern und kullern unaufhaltsam in ihren Bahnen.
Ab und an wird eine Murmel durch ihren Schwung über die Bande gerissen und scheppert bei dem Aufprall auf dem hellen Parkettboden deine Wohnung.
Kurz bist du erschüttert. Aber schließlich fällt es dir nicht schwer, dein müdes Gesicht wieder in deinen Kissen zu vergraben.
Eben ist der Moment noch da und schon gleich wieder vorüber.
Manchmal überlege ich den Murmeln hinterher zu jagen, doch am Ende stolpere ich wieder über meine eigenen Füße und reiße zu allem Überfluss auch noch eine Murmelbahn ein. Dann muss ich wieder aufschreien, weil sich der Schmerz meine Wade hochzieht, wenn ich barfuß auf eine herumfliegende Murmel trete.
Nein, das wäre nicht gut.
Lieber sitze ich hier, auf dem Boden und schwelge in süßlich schmerzhaften Erinnerungen:
Vor 15 Jahren kam der erste Harry Potter Film in die Kinos. Vor 15 Jahren betraten wir den Saal mit unseren Grundschulfreunden, die wir gegebenenfalls einmal im Jahr bei Facebook stalken. Ausgerüstet mit Popkorntüten, die so groß wie unsere Oberkörper waren, ließen wir uns in Kinositzen gleiten, um in eine unglaublich neue und wundervolle Welt eintauchten und einen Film zu eroberten, den wir so nie wieder erleben werden. Das war uns damals jedoch nicht bewusst.
Ich bin jetzt schon 24 Jahre auf diesem Planeten und so wundervoll das erwachsen werden auch ist, so lieb wäre es mir manchmal, die Murmel zu finden mit dem Moment, der mir das Gefühl in die Adern injiziert, welches ich nach meinem ersten Harry Potter Film hatte. Ich war unbesiegbar. Das Böse war auf einer Leinwand gefangen und auf magische Weise war alles möglich.
Wie viel ist heute noch möglich?
Ich lasse mich rückwärts auf mein Paket fallen. Der Schmerz breitet sich in meinem Hinterkopf aus und alles fängt sich an zu drehen. Aber irgendwie ist das vergleichbar mit dem Gefühl, dass erste Mal verlassen zu werden, dazu musste ich gar nicht die passende Moment-Murmel finden. Klasse! Man kann’s ja mal versuchen.
Ja, die Momente kullern unaufhaltsam in ihren Bahnen.
Du kannst nichts dagegen tun.
Außer dir einzureden, wie entspannend und meditativ dieser Anblick ist, bevor du dir wieder hastig deine Krawatte bindest und durch den Regen zur Arbeit rennst.