Gedankenwelt und Herzrasen

Im Sinn der Möglichkeit, dass wir uns irgendwann in einer lauten Welt verlieren, strecke ich meine Hand nach dir aus. Jede Sekunde, die sich unsere Zeigefinger berühren, untermalt deutlich die Illusion, dass ich meine Realität mit irgendeinem anderen Menschen teilen kann. Denn die eigene Realität ist unteilbar. Unteilbar und vielseitig mit Vergangenheit und Gegenwart der eigenen Existenz verstrickt. Und doch können wir uns mit einer anderen Person in Momenten der Übereinstimmung auf ein ähnlich (ja fast gleich) empfundenes Geschehen einigen. Wie beispielsweise wenn eine volle Blumenvase umfällt, dann könnte der Konsens entstehen, dass nun die unmittelbare Umgebung des Gefäßes nass ist.

Komplexer wird es aber, wenn es um die innere Lebenswelt des Individuums geht. Kein Gedanke gleicht einem anderen, keine Idee tritt exakt zweimal auf. Jedes fremdgesprochene Wort wird im Filter der eigenen Wahrnehmung auf eine Art bearbeitet, die jeglichem Einfluss entgleitet. Verfälscht, gar losgesagt von der Intention des Seders, taumeln auf diese Art Informationen zwischen Personen umher. Manchmal, da frage ich mich, wie Kommunikation überhaupt gelingen kann.

Denn sogar die Kommunikation zwischen Ratio und Emotion scheint komplizierter, als ich in jungen Jahren angenommen habe. Ich musste erst Ende 20 werden, um zu verstehen, dass nur weil wir etwas besser Wissen (und ja, das war schon allein ein langer Weg), es nicht bedeutet, dass wir auch einwandfrei handeln. Denn ein Gefühl kann, in Momenten, auch den sortiertesten Kopf aus der Bahn werfen und ihn bis zur Handlungsunfähigkeit bringen. Denn in einem Kopf, in dem es immer ein Plan gibt, herrsch Chaos, sobald sich Fäden der Emotionen so niederlegen, dass sie keinen Ausweg lassen. Keinen geplanten Ausweg zumindest. Einen Ausweg, den wird es wohl immer geben.

Mein Ausweg aus Gedankenwelt und Herzrasen ist mir darüber im Klaren zu sein, dass das Leben doch genau das ist: Gedankenwelt und Herzrasen. Manchmal warte ich aber ein bisschen zu lange mit der genannten Klarheit. So lange bis der Ausweg eine andere Form annimmt und zwar die salzigen Wassertropfenform, die meine Wangen herunterläuft. Dann frage ich mich manchmal, ob ich zulange gewartet habe. Mit Worten, die Gedanken hätten sein sollen. Oder ob ich wohl noch länger hätte warten müssen. Mit Gedanken, die zu Worten hätten werden müssen. 

Manchmal, das wirst du wohl schon bemerkt haben, verliere ich mich in dieser lauten Welt. Und manchmal (wohl fast immer) ist das auch in Ordnung so. Denn diese laute Welt, kann mit dir ganz leise sein. Ein gutes „leise“ mit einem sehr guten „wir“. 

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Aller Anfang ist gut. Ende.

Aller Anfang ist gut – dachten wir, als wir Hand in Hand die Straße am See hinab liefen. Es war jedoch eine unwahre Aussage, dessen Fehler in ihrer Basisannahme eingenistet war. Veränderungen sind gut, denn Stillstand bedeutet das verloren gegangene Leben. Aber Nicht jeder Anfang ist gut. Jeder Anfang hat etwas Gutes, gleichsam wie Schlechtes. Oder gibt es Anfänge, die nur Schlecht sind oder nur Gut sind? Die Beantwortung dieser Frage ummantelt die Vorausgesetzt, dass wir ein Einverständnis über die Gegebenheiten der beiden Zustände treffen, ansonsten finden wir uns nur in fluide Behauptungen wieder, die niemals eine reale Bewandtnis haben werden. Aber sollten wir überhaupt noch über den Anfang reden, wenn wir mitten in dem Zustandsstrudel gefangen sind, der sich täglich selbst bedingt, mit dem Sorgenvollen blick auf das Morgen? Wem schenken wir gerade Aufmerksamkeit? Dem Jetzt? Aber das Jetzt konnte nur durch den Anfang entspringen. Also doch „alles zurück auf Anfang“, würde mein Großvater sagen und dabei eine Schallplatte in seinen Händen wenden. Aber ich wollte nicht zurück zum Anfang. Hier gefiel es mir allerdings auch nicht. Es muss sich irgendwas ändern. Aber was?
Paradox war es sowieso, dass sich die Stille um die Häuser legte, Vorhänge zugezogen blieben und sich das blau schimmernde Licht von Monitoren über sie ergoß und doch die Sonne dem Nachthimmel glich, als sei ein ganz normaler Tag vergangen. Die Komplexität dieses Zustandes war unbegreiflich, hatten wir doch gestern noch den Nachbarskindern einen Geldschein in die Hand gedrückt, damit sie sich beim Eismann eine zart fließende Leckerei ihrer Wahl aussuchen konnten. Nun war der Rasen leer. Ein großes Spielzeugauto und eine mit Blümchen bemalte gelbe Schaufel lagen im Vorgarten als seien sie hinterbliebene Waffen eines längst vergangenen Krieges.
Ich zog den Reisverschluss meiner Jacke bis zum Hals, dabei ließ ich deine Hand los. Der Zufall wollte es, dass wir uns trafen. Vor einige Zeit. Jetzt waren wir die Letzten, die sich Wärme schenken konnten.
Das Wasser des Sees glitzerte Hinter den Bäumen hervor, als wollte es mit jeder Erscheinung mehr Aufmerksamkeit erlangen. Es pulsierte, wie ein Marathonläufer hinter der Ziellinie. Der Wind strich auch mir durchs Haar. Heftiger als erwartet. Mit jedem Luftstoß wurde mir das Leben bewusster. Ich balanciere oft zwischen der Wichtigkeit und der Belanglosigkeit meiner Selbst.
Glückseligkeit ist eigentlich nur ein verstricktes Bündel aus erfüllten und unerfüllten Erwartungen an unsere Umwelt und dem daraus resultierenden Bild der eigenen Person.
Ich würde gerne Tanzen, dachte ich. Doch verletzt durch die eisige Kälte blieb ich starr. Du warfst einen Stein ins Wasser und freutest dich. Wie ein Kind. Mündig zu sein seinem Bewegungsdrang zu erklären ist ein Phänomen. Du konntest es. Gut sogar. Als wir zurück liefen war es fast so, als hörten wir die Stimmen der anderen hinter den Bäumen. Fast.

Anfang

Ich würde ja, wenn ich könnte, aber ich will nicht.

Kurz habe ich nicht aufgepasst. Ganz kurz dachte ich, ich könnte den Eiswürfel-Flamingo in meinem Glas zugucken, wie er geschickt auf einer kleinen Welle hin und her wippt. Kurz habe ich mich in Sicherheit gedacht. Das Blaulicht ignoriert. Die Menschen ignoriert, die ihre tanzwütigen Körper an mir vorbeischoben. Kurz war ich ganz alleine. Dann sah ich dich.
Du standest am anderen Ende des Raumes. Deine langen Haare wellten sich sobald sie die Schultern erreichten. Deine blauen Augen starrten mich an. Nur Sekunden später realisierte ich, wie ähnlich du mir warst. Deine orange Hose bis zu den Knien hochgekrempelt. Deine zerknitterte Bluse in die Hose gesteckt. Deine Hände in stetiger Bewegung.

Ich schreibe viel über die Traurigkeit. Aber dieses mal nicht. Heute nicht. Heute ist nämlich der schönste Tag meines Lebens. Und Morgen ist auch der schönste Tag meines Lebens. Und Übermorgen…auch. Oft habe ich das Gefühl nicht in diese Welt zu passen. Das ist gut so. Ich möchte sie nämlich verändern. Wenn wir alle in sie hineinpassen würden, dann wären wir nur ein weiteres Teil eines Puzzles, welches irgendwann fertig ist. Welches, wenn es ganz schlimm kommt, fixiert irgendwo an einer Wand hängt. In einem dunkelbraunen Bilderrahmen.
Ich möchte kein Teil eines fertigen Puzzles sein. Ich möchte ein Teil einer Vision sein. Einer Vision, die nach einer Mischung aus Weinblättern und Pistolenpulver riecht.

Gestern habe ich eine kleines Liebesgeständnis in einer Ananas geritzt. Langsam bohrte sich das Messer durch die Schale und hinterließ Fugen der Kommunikation. Erst als ich fertig war bemerkte ich, dass die Idee nicht ausgereift war. Zitrusfrüchte dürfen nämlich nicht ins Flugzeug. Jetzt kann ich sie dir nicht geben. Die Ananas. Die Nachricht.
Aber das ist okay. Vielleicht werde ich dich einfach küssen. Und vielleicht wird der Kuss einfach ein bisschen nach Ananas schmecken. Und vielleicht ist das auch schon alles worum es hier geht.

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Die Welt ist ein bisschen kleiner als erwartet.

Ich bin ja eigentlich gar nicht gekommen um zu bleiben.
Ich bin ja eigentlich nur gekommen, um ein Stück Tiramisu aus dem Kühlschrank zu stehlen. So ein gutes Stück Tiramisu mit weichem Boden, bei dem der Alkohol leicht in der Nase zieht, sobald der erste Bissen die Zunge berührt.

Gestern wollten Freunde zu Besuche kommen. Gestern war Sonntag.
Ich wollte Wein kaufen und diesen meinen Gästen anbieten. Doch ich verbrachte meine Zeit lieber damit meinen Kopf auf die Oberschenkel meines Freundes zu legen, in den blauen Himmel zu starren und darüber nachzudenken wir viele Halswirbel ein Schwan hat.
Ich glaube es sind 17. So alt wäre ich gerne mal wieder: 17.
Siebzehn ist sowieso eine eigenwillige Zahl. Sie sollte mehr Aufmerksamkeit bekommen. Morgen, das nehme ich mir vor, stecke ich 17% mehr Motivation in meinen Gang zur U-Bahn.
Ich werde 17% mehr Trinkgeld für meinen Kaffee geben und 17 Mal weniger auf mein Handy schauen. Ich werde mein Müsli in 17 Bissen essen und meine Kissen 17 Minuten lang auslüften.

Aber zurück zu meinem Besuch.

Bei den ganzen Gedanken an Halswirbeln habe ich nämlich den Wein vergessen. Dann bin ich schnell zu meinem Papa geflitzt. Er wohnt nicht weit weg. Er hatte keinen Wein, aber Gin. Auf dem Schrank. Den Gin, den ich vor Jahren mit meinen Freundinnen getrunken und durch Wasser ersetzt hatte, damit meine Eltern nichts merken. Ich stehe jetzt also mit einer Gin-Flasche voller Wasser im Hausflur und das Licht ist ausgegangen. Die Angst vor der letzten Stufe einer im Dunklen zu bewerkstelligen Treppe erklimmt mich. Gibt es noch eine Stufe? Ist die letzte Stufe eine Illusion? Werde ich gleich stolpern und das Gin-Wasser auf dem Boden verteilen?

Nein, ich bleibe unverletzt.

Mein Besucht bekommt Wasser mit Zitrone – nach einer Weile sind alle etwas angetrunken. Ich freue mich darüber.

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I want you to act like the house is on fire – because it is.

Ich sehe deine Haut in den Flammen. Sie erleuchtet, nur um im nächsten Moment der flackernden Dunkelheit zu erliegen.
Es war so schön damals als ich meine Finger über deine Haut streichen konnte ohne, dass du vor Schmerz aufschriest.
Ich höre noch heute das Lied, das uns umgab, als wir Arm in Arm über das kühle Paket unseres Abschlussballs taumelten, in der Hoffnung die Freiheit mit beiden Händen zu umschließen.
Du warst es. Alles. Ich wusste es. Schon damals.
Deine kühlen Lippen umkreisen meine Handinnenfläche.
Ich spüre wie sich das Universum in meinem Unterleib ausbreitet.
Jeder einzelne Stern sprüht ein Licht durch meine Adern.
Meine Haut erleuchtet so hell, dass ich mit einem edding kleine Punkte auf sie male, um an der Decke ein grandioses Lichtspiel zu erzeugen.
Du liegst mit deinem nackten Rücken auf dem leeren Bett und verlierst dich in meinem Schattenspiel.
Wir sind genug. Das weiß ich jetzt.
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Don’t be dramatized by circumstances that do not dramatize you

I am moving in a world of hate, but I plant a flower right here. Is that okay with you?

Warum kann ich eigentlich Schmerz so viel mehr spüren als Freude?
Warum kann ich nicht über die Dinge sprechen, die mich peinlich berühren?
Weiblichkeit sollte im Umkehrschluss bedeuten, dass wir Scharm durch Stolz ersetzen. Oder? Aber wie viel biografisches ist eigentlich im eigenen Text erlaubt?

Fangen wir doch einmal von vorne an.

Ich laufe über die Straße und vergesse etwas. Dramatisch drehe ich mich fünf mal im Kreis, schlage meine Hand gegen meine Stirn, nur um den Menschen (ich sehe keine, aber es könnte ja jemand aus dem Fenster schauen) zu symbolisieren, dass die bedingte Umkehr meines Weges durch das Vergessen eines Objektes bestimmt ist. Ich kann ja nicht einfach so umdrehen. Das wäre doch irgendwie komisch. Oder?

Also laufe ich zurück, stolz durch meine Darbietung ohne Applause, stolz auf meine Bühne ohne Publikum. Nur um mein eigenes Handeln zu rechtfertigen.

Körpersprache ist doch sowieso das einzig Wahre.

In der Lehre und im Alltag wird Sprache oft dazu eingesetzt jemanden und etwas zu distanzieren. In den Disziplinen der Kunst ist das anders. Ich spreche und ich fühle wie sich die Augen meines Gegenübers mit Wasser füllen und wie er sich in meinen Worten einbettet, als wären sie Zuckerwatte. Das ist wundervoll.

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