Aller Anfang ist gut – dachten wir, als wir Hand in Hand die Straße am See hinab liefen. Es war jedoch eine unwahre Aussage, dessen Fehler in ihrer Basisannahme eingenistet war. Veränderungen sind gut, denn Stillstand bedeutet das verloren gegangene Leben. Aber Nicht jeder Anfang ist gut. Jeder Anfang hat etwas Gutes, gleichsam wie Schlechtes. Oder gibt es Anfänge, die nur Schlecht sind oder nur Gut sind? Die Beantwortung dieser Frage ummantelt die Vorausgesetzt, dass wir ein Einverständnis über die Gegebenheiten der beiden Zustände treffen, ansonsten finden wir uns nur in fluide Behauptungen wieder, die niemals eine reale Bewandtnis haben werden. Aber sollten wir überhaupt noch über den Anfang reden, wenn wir mitten in dem Zustandsstrudel gefangen sind, der sich täglich selbst bedingt, mit dem Sorgenvollen blick auf das Morgen? Wem schenken wir gerade Aufmerksamkeit? Dem Jetzt? Aber das Jetzt konnte nur durch den Anfang entspringen. Also doch „alles zurück auf Anfang“, würde mein Großvater sagen und dabei eine Schallplatte in seinen Händen wenden. Aber ich wollte nicht zurück zum Anfang. Hier gefiel es mir allerdings auch nicht. Es muss sich irgendwas ändern. Aber was?
Paradox war es sowieso, dass sich die Stille um die Häuser legte, Vorhänge zugezogen blieben und sich das blau schimmernde Licht von Monitoren über sie ergoß und doch die Sonne dem Nachthimmel glich, als sei ein ganz normaler Tag vergangen. Die Komplexität dieses Zustandes war unbegreiflich, hatten wir doch gestern noch den Nachbarskindern einen Geldschein in die Hand gedrückt, damit sie sich beim Eismann eine zart fließende Leckerei ihrer Wahl aussuchen konnten. Nun war der Rasen leer. Ein großes Spielzeugauto und eine mit Blümchen bemalte gelbe Schaufel lagen im Vorgarten als seien sie hinterbliebene Waffen eines längst vergangenen Krieges.
Ich zog den Reisverschluss meiner Jacke bis zum Hals, dabei ließ ich deine Hand los. Der Zufall wollte es, dass wir uns trafen. Vor einige Zeit. Jetzt waren wir die Letzten, die sich Wärme schenken konnten.
Das Wasser des Sees glitzerte Hinter den Bäumen hervor, als wollte es mit jeder Erscheinung mehr Aufmerksamkeit erlangen. Es pulsierte, wie ein Marathonläufer hinter der Ziellinie. Der Wind strich auch mir durchs Haar. Heftiger als erwartet. Mit jedem Luftstoß wurde mir das Leben bewusster. Ich balanciere oft zwischen der Wichtigkeit und der Belanglosigkeit meiner Selbst.
Glückseligkeit ist eigentlich nur ein verstricktes Bündel aus erfüllten und unerfüllten Erwartungen an unsere Umwelt und dem daraus resultierenden Bild der eigenen Person.
Ich würde gerne Tanzen, dachte ich. Doch verletzt durch die eisige Kälte blieb ich starr. Du warfst einen Stein ins Wasser und freutest dich. Wie ein Kind. Mündig zu sein seinem Bewegungsdrang zu erklären ist ein Phänomen. Du konntest es. Gut sogar. Als wir zurück liefen war es fast so, als hörten wir die Stimmen der anderen hinter den Bäumen. Fast.
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Ich würde ja, wenn ich könnte, aber ich will nicht.
Kurz habe ich nicht aufgepasst. Ganz kurz dachte ich, ich könnte den Eiswürfel-Flamingo in meinem Glas zugucken, wie er geschickt auf einer kleinen Welle hin und her wippt. Kurz habe ich mich in Sicherheit gedacht. Das Blaulicht ignoriert. Die Menschen ignoriert, die ihre tanzwütigen Körper an mir vorbeischoben. Kurz war ich ganz alleine. Dann sah ich dich.
Du standest am anderen Ende des Raumes. Deine langen Haare wellten sich sobald sie die Schultern erreichten. Deine blauen Augen starrten mich an. Nur Sekunden später realisierte ich, wie ähnlich du mir warst. Deine orange Hose bis zu den Knien hochgekrempelt. Deine zerknitterte Bluse in die Hose gesteckt. Deine Hände in stetiger Bewegung.
Ich schreibe viel über die Traurigkeit. Aber dieses mal nicht. Heute nicht. Heute ist nämlich der schönste Tag meines Lebens. Und Morgen ist auch der schönste Tag meines Lebens. Und Übermorgen…auch. Oft habe ich das Gefühl nicht in diese Welt zu passen. Das ist gut so. Ich möchte sie nämlich verändern. Wenn wir alle in sie hineinpassen würden, dann wären wir nur ein weiteres Teil eines Puzzles, welches irgendwann fertig ist. Welches, wenn es ganz schlimm kommt, fixiert irgendwo an einer Wand hängt. In einem dunkelbraunen Bilderrahmen.
Ich möchte kein Teil eines fertigen Puzzles sein. Ich möchte ein Teil einer Vision sein. Einer Vision, die nach einer Mischung aus Weinblättern und Pistolenpulver riecht.
Gestern habe ich eine kleines Liebesgeständnis in einer Ananas geritzt. Langsam bohrte sich das Messer durch die Schale und hinterließ Fugen der Kommunikation. Erst als ich fertig war bemerkte ich, dass die Idee nicht ausgereift war. Zitrusfrüchte dürfen nämlich nicht ins Flugzeug. Jetzt kann ich sie dir nicht geben. Die Ananas. Die Nachricht.
Aber das ist okay. Vielleicht werde ich dich einfach küssen. Und vielleicht wird der Kuss einfach ein bisschen nach Ananas schmecken. Und vielleicht ist das auch schon alles worum es hier geht.